12.08.2022
Ich habe genug gelesen und mir diverse Videos über den MG5 Electric angesehen. Zeit, eigene Erfahrungen zu machen. Ich vereinbare eine Probefahrt.
Es gibt zwei MG Händler in der Nähe. Ich rufe den an, der für mich leichter zu erreichen ist. Eigentlich erwarte ich die Möglichkeit, einen Vorführwagen für einen ganzen oder mindestens einen halben Tag zu bekommen. Ich würde gern verschiedene Streckenprofile abfahren, um die Verbräuche zu vergleichen, und vielleicht auch mal einen Schnellladetest machen. Alles ganz in Ruhe.
Das ist aber offenbar nicht möglich. Es ginge nur für eine Stunde, teilt mir der immerhin sehr freundliche Verkäufer mit. Ich specke meine Pläne drastisch ab, handele zwei aus, brauche am Ende aber doch nur eine.
Mit meiner ZOE fahre ich zum MG Händler und sehe auf dem Parkplatz schon den MG5 Electric stehen, den ich gleich probefahren werde. Natürlich ist es die Luxury Ausstattung mit dem größeren NMC-Akku, in „Medal Silver“.
Da ich etwas zu früh dran bin, muss ich einen Moment warten. Ich schaue mir währenddessen das Standard Comfort Modell an, das im Showroom ausgestellt ist. Weiß mit dunklen Sitzen. Gefällt mir auch in real. Ich habe ja bislang nur Bilder und Videos gesehen.
Dann werde ich vom Verkäufer begrüßt und wir gehen kurz zu seinem Schreibtisch, um die Formalitäten zu erledigen. Er fragt mich, ob ich schonmal ein Elektroauto gefahren sei. Ach, lasse ich so fallen, ich fahre schon seit 9 Jahren elektrisch… Er ist hinreichend beeindruckt, spart sich praktisch sämtliche Tipps, die er hoffentlich parat hat, und wir gehen direkt raus zum Vorführwagen.
Die Orientierung im Auto fällt mir leicht. Im Display wird links die Geschwindigkeit (digital) angezeigt, in der Mitte alle möglichen Informationen, die man mit Wippen am Lenkrad durchschalten kann, und rechts der Momentanverbrauch, allerdings in Prozent. Von der ZOE bin ich es gewohnt, den Momentanverbrauch in kW angezeigt zu bekommen. Ich weiß noch nicht, was ich mit einer Prozentangabe anfangen soll.
Ich bitte den Verkäufer, den Mittelteil des Displays so einzustellen, dass der Durchschnittsverbrauch angezeigt wird, und diesen zu resetten, damit ich meine eigenen Werte bekomme. Vor dem Reset sehe ich da kurz 18,x stehen.
Ich lasse meinen Blick schweifen und entdecke in der Mittelkonsole einen Taster für Auto-Hold. Ah, sag ich, Auto-Hold, sehr praktisch. Der Verkäufer gesteht, dass er noch nicht herausgefunden hat, wie man das einschaltet. Er drückt auf den Taster, aber die eingebaute LED leuchtet nicht auf. Es scheint von einer Fahrsituation abzuhängen, in der wir uns momentan nicht befinden. Hm. Es sind nicht die einzigen Hausaufgaben, die der Verkäufer nicht gemacht hat. Dazu später mehr.
Erstmal wünscht er mir Gute Fahrt und ich bedanke mich und fahre los.
Es ist 10 Uhr, ein trockener, wolkenloser Sommertag und schon sehr heiß. Die Außentemperatur beträgt über 30°C. Die Klimaanlage ist an und hat zu tun; ich kann ihren Verbrauch aber mangels geeigneter Anzeige nirgends ablesen. Ob ihr Verbrauch bei der Berechnung des Momentanverbrauchs berücksichtigt wird? Ich hoffe es. Bei unserer ZOE ist es so. Beim von mir 2020 getesteten Nachfolgemodell „Z.E.50“ wurde der Stromverbrauch für die Wärmepumpe in der Momentanverbrauchsanzeige einfach unterschlagen. Sieht natürlich besser aus, ist aber milde ausgedrückt geschummelt.
Der Händler befindet sich nordwestlich von Hannover. Als ich hinfahre, sehe ich beim Überqueren der A2, dass diese sehr voll ist und der Verkehr dort nicht flüssig läuft. Das will ich mir nicht antun. Ich fahre daher mit dem MG5 Electric auf die B6 Richtung Nienburg. Die ist 4spurig ausgebaut, erlaubt sind hier aber max. 100km/h. Das reicht mir, schneller fahre ich auch sonst kaum, mit der ZOE bleibe ich meist bei 100-110km/h. Der Verkehr ist übersichtlich.
Ich fahre auf der B6 ca. 30km bis Nienburg, drehe dann um und nehme auf dem Rückweg noch ein, zwei Dörfer mit, um etwas Abwechslung in das Fahrprofil zu bringen.
Ich widerstehe der Versuchung, die Grenzen dieses Fahrzeugs auszuloten und fahre genau so, wie ich es auch sonst tue. Also eher defensiv, vorausschauend, entspannt, mit einem Wort: langweilig. Na gut, ein- oder zweimal überhole ich vielleicht einen LKW mit etwas Schmackes. Gommemode, Digga. Aber dann bin ich sofort wieder brav. Ich will ja einen realistischen Alltags-Verbrauchswert zum Vergleich ermitteln.
Sehr neugierig bin ich auf die Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC). Bevor ich sie einschalte, muss ich allerdings kurz mal auf einen Parkplatz abbiegen, um mich mit der Bedienung zu befassen. Im MG5 Electric sind alle dafür vorgesehenen Funktionen auf einem Stick untergebracht, der sich südwestlich vom Lenkrad befindet. Ungünstigerweise wird dieser Stick vom Lenkrad verdeckt, so dass es während der Fahrt unmöglich ist, sich optisch auf dem Stick zu orientieren. Und dieser hat zahlreiche Einstellmöglichkeiten. Hier ist dann wohl Auswendiglernen angesagt, da man das Teil blind bedienen muss.
Ich beschränke das Lernen auf dem Parkplatz auf die Basisfunktionen: Ein, Aus, Schneller und Langsamer. Das kann ich mir ad hoc merken. ;-)
Vom Tempomaten der ZOE bin ich Lenkradwippen gewohnt, da müsste ich mich im MG5 Electric also deutlich umgewöhnen.
Ich fahre wieder auf die B6, schalte ACC ein und bin zunächst ein bisschen erstaunt, weil sich die Geschwindigkeitsvorgabe nur in 5km/h-Schritten einstellen lässt. Das ist ja ein noch gröberes Raster als in unserer ZOE. Aber dann kommt ziemlich schnell die Erkenntnis, dass das völlig ausreicht, denn das Feintuning übernimmt ja das System. Der Vorgabewert ist nur Ausdruck meines Wunsches, wie schnell es werden darf, wenn vor mir niemand ist.
Es funktioniert sehr gut. Der automatisch gehaltene Abstand ist ziemlich genau der, den ich auch einhalten würde. Da grätscht dann zwar gern mal jemand rein, der vielleicht ein wenig Physik-Nachhilfe bräuchte, oder eine Fahrschul-Auffrischung, aber das ACC System reagiert schnell und zuverlässig, bremst ab und stellt den Sicherheitsabstand wieder her.
Im Display wird bei aktiver ACC eine schematische Darstellung der jeweiligen Verkehrssituation angezeigt. Kann man machen, aber ich sehe ja durch die Windschutzscheibe, was vor mir los ist. In 3D und ∞K.
Ob es auch einen Begrenzer gibt? Also eine Geschwindigkeitsvorgabe, die das Fahrzeug beim normalen Fahren nicht überschreitet, allenfalls durch Kickdown? Ich nutze den Begrenzer unserer ZOE sehr häufig beim Fahren in der Stadt. So bin ich sicher, nicht zu schnell zu werden, ohne dass ich alle Naselang auf's Tacho gucken muss. Meine Aufmerksamkeit kann ich ungeteilt dem Verkehrsgeschehen widmen. Ich werde später den Verkäufer fragen. Er wird es nicht wissen.
Das wäre wahrscheinlich die Funktion, die ich am ehesten deaktivieren würde. Nicht, weil es nicht funktioniert. Auf meiner Probefahrt tadellos. Aber die Fahrbahnmarkierungen sind auch top auf der Strecke, es gibt keine Baustellen und es ist heller Tag. Jedoch - irgendwie mag ich es anscheinend nicht, von einem Auto, dessen Fahrer ich bin, bevormundet zu werden. Interessant, was sich da auftut. Bis ein Auto in jeder Situation besser reagiert als ich es kann, werde ich solche Assistenten lieber abschalten. Hoffentlich verpasse ich den Zeitpunkt nicht.
Ist aber nicht in Stein gemeißelt. Vielleicht lerne ich diese Funktion ja im Alltag noch zu schätzen.
What?
KERS steht für „Kinetic Energy Recovery System“. Es sorgt für die Rückgewinnung der Bewegungsenergie beim Abbremsen des Fahrzeugs. Aus kinetischer Energie wird wieder elektrische Energie, die wiederum in den Akku zurückgespeist wird. Das nennt man auch Rekuperation.
Die drei im MG5 Electric angebotenen Stufen bewirken eine unterschiedlich starke Energierückgewinnung – und damit Verzögerung –, wenn man vom Strompedal geht. Auch in der stärksten Stufe kommt das Fahrzeug nicht zum Stillstand, so dass echtes One-Pedal-Driving nicht möglich ist. Auf der anderen Seite vermisse ich einen reinen Segelmodus, in dem das Auto nur rekuperiert, wenn die Bremse betätigt wird und ansonsten einfach rollt, wenn ich den Fuß vom Strompedal nehme. Nach kurzem Durchschalten der Stufen bleibe ich auf der mittleren Stufe 2.
Der MG5 Electric bietet 3 Fahrmodi: Eco, Comfort und Sport. Ich bleibe die ganze Probefahrt über im Comfort-Modus, weil ich denke, dass das einen mittleren Verbrauch bewirkt, und genau den möchte ich ermitteln.
Der MG5 Electric fängt wie auch die ZOE an zu kriechen, wenn man im Stand den Fuß von der Bremse nimmt. Es sei denn, Auto-Hold ist aktiv. Ich schaffe es übrigens irgendwann bei einem kurzen Stopp auf dem Rückweg, diese Funktion mit dem dafür vorgesehenen Taster zu aktivieren, aber weiß am Ende nicht mehr genau, was für Rahmenbedingungen gerade herrschten. Hätte es dem Verkäufer gern demonstriert. ;-)
Geladen habe ich auf der Probefahrt nicht, so dass ich dazu hier leider nichts schreiben kann.
Im Innenraum fühle ich mich wohl, wirkt auf mich alles sehr harmonisch. Der Infotainment-Screen hat ein angenehm schlankes, unaufdringliches Format und ist dennoch nicht zu klein. Das Dilemma ist nur, dass für die Kartendarstellung der Navigation ein Hochformat praktischer wäre: Man sähe einfach mehr Strecke voraus. Aber Hochformat stört den Gesamteindruck, finde ich. So, wie es im MG5 Electric gelöst ist, mag ich es gern ansehen. Klare Formen und Linien.
Vorn sitze ich sehr bequem, hinten muss ich in der Mitte den Kopf etwas einziehen. Nicht so schlimm. Zu fünft werden wir eher sehr selten unterwegs sein. Und wenn, werde ich vorn sitzen. ;-)
Kofferraum: Mehr als groß genug für unsere Bedürfnisse.
Hier die Daten meines Kurztrips:
Verbrauch: 14,9kWh/100km, bei 70km/h Durchschnittstempo – damit bin ich doch sehr zufrieden. Falls es stimmt. Es ist zwar mehr als unsere ZOE braucht, aber deutlich besser als das, was ich in den meisten MG5-Videos gesehen habe. Bleibt abzuwarten, wie sich das im Winter darstellt.
Nach einer knappen Stunde bin ich wieder beim Händler, stelle den Vorführwagen ab, gehe nochmal drumrum, gucke nochmal in den Kofferraum, setze mich nochmal auf alle Sitze. Der gute Eindruck bleibt. Vom Auto.
Als ich drin die Keycard abgebe, frage ich den Verkäufer, ob der MG5 Electric auch einen Begrenzer hat. Er weiß es nicht und scheint nicht mal die Möglichkeit geahnt zu haben, dass es einen geben könnte. Warum nur habe ich so oft bei derartigen Gelegenheiten das Gefühl, informierter zu sein als die Fachkraft? Ich meine, es ist ja nicht so, als hätte ich gerade die Person, die bei TEDI das Regal einräumt, nach der genauen chemischen Zusammensetzung eines 1€-Teelichtglases gefragt. Vor mir sitzt jemand, der vermutlich gut bezahlt wird und der mir eine 30.000,- € Maschine verkaufen möchte. Da erwarte ich einfach eine Detailkenntnis, die über die hinausgeht, mit der ich vor ihm sitze. Hat er nicht mal die Bedienungsanleitung gelesen? Bin ich ein Snob?
Ich werde ihn wohl bestellen. Vor Abschluss eines Leasingvertrags werde ich aber noch Konditionen vergleichen. Stay tuned.
PS: Der MG5 Electric hat einen Begrenzer. ;-)